Comment by Caren.:
Zu MOTÖRHEAD geht man aus Kultgründen, soviel ist eh klar. Daher war es auf jeden Fall gut, nochmal dabeigewesen zu sein. Lemmy’s Kräfte schwinden, auch sein Gesang ist manchmal nur noch bruchstückartig oder sehr leise zu vernehmen, oft beschert das Mikro Rückkopplungen, er nuschelt noch mehr als sonst und hört sich redend an wie ein 95-Jähriger, ich verstehe kaum, was er zu sagen hat, auch er äußert sich zum Terroranschlag vor 2 Wochen. Mir schwant, dass sein Haltbarkeitsdatum langsam überschritten ist, trotzdem wird er sich durchbeißen und niemals als „last man standing“ aufgeben. Soviel steht fest. Und dafür lieben alle den (bedenklich abgemagerten) Haudegen. Vielen Leuten im Publikum sieht man die „ich-fürchte-der-macht’s-nicht-mehr-lang“-Miene an. Kein einziger Crowddiver ist zu sehen, noch nicht mal bei „Ace of Spades“, kein Moshpit, und das in einer ausverkauften Halle. Lemmy bewegt sich ebenfalls nicht von der Stelle. Es gibt sicher gute Gründe, warum der Drummer auf einem erhöhten Podest angestrahlt wird und ackert wie ein Tier. Nicht erst als er von Lemmy als „The best drummer in the world“ angesagt wird. Qualität ist Qualität, er wird mit spektakulärem Lichtgewitter angestrahlt und das Drumsolo ausgereizt. Und auch der Bomber, der hat’s rausgerissen! Gute Idee mit der Lichttraverse, die zum beweglichen Flugzeug umfunktioniert ist und mit Motoren- und Schußgeräuschen & Nebelschwaden begleitet wird. Der Opener ist natürlich ebenfalls „Bomber“. Großes Gejohle und viele Fotos. Die Fans lieben ihre Band, keine Frage und das darf man auch. Wir haben jedenfalls in der Gruppe allemal Spaß. Und Bier. Am heutigen Abend gibt’s jedenfalls das Phänomen Männer-gehen-aufs-Frauenklo, weil die Schlange nicht so lang ist! Als Zugabe gibt’s akustisch den „Whorehouse Blues“ und dann reißt der Bomber (hoffentlich knallt der nicht irgendwann mal runter) nochmal soundtechnisch die Hütte ab und lässt uns mit fiesem Fiepen&Dröhnen zurück. Der Satz „We are Motörhead and we play Rock’n’Roll!“ kam diesmal fast wie „ups, vergessen“ erst ganz am Schluß. Aber Rituale müssen sein ;-)
Ich hatte mich außerdem so gefreut auf ein Double-Feature zusammen mit GIRLSCHOOL, sie hätten doch endlich den gemeinsamen Hit „Please don’t touch“ zusammen singen können! Haben sie aber nicht. Die Gelegenheit gibt’s sicher nicht noch mal. Zu schade. Als Opener rocken GIRLSCHOOL ganz gut los, fast in Urbesetzung der Anfang-80er, eine von ihnen lebt nicht mehr. Der Sound ist nicht besonders, das große Schlagzeug dürfen sie nicht benutzen. Das „999 Emergency“ gegen Ende hat Wiedererkennungswert.
Bei SAXON als 2. Vorband sieht das schon etwas anders aus, die haben mich positiv überrascht. Auch wenn ich nicht zur Spacken-Metal-Fraktion gehöre, es macht tatsächlich Spaß, die alten Recken mit den Jodelstimmen und häßlichen Klampfen in Heavy-Metal-Thunder Rauchsäulen aufgehen zu sehen. Sänger Biff ist von der begeisterten Menge sehr erfreut „This is a fucking big venue, feels like Wacken!“ und lässt uns am Ende über die noch zu spielenden Songs mit Applausometer „abstimmen“. Allerdings sicherlich nur aus Show, denn woanders gewinnt komischerweise auch das lahmere „Crusader“ gegenüber anderen Hits wie zB „The band played on“. Egal. The kids had fun. Und die Stimme hat der Herr mit dem Namen eines Badreinigers bei weitem noch nicht verloren.
Ich wünsche Lemmy und den Schmökern, dass sie so lange durchhalten, wie sie es möchten. Nach der kleinen gesundheitlichen Einbruchsphase im letzten Jahr war nicht unbedingt zu erwarten, dass sie so schnell wieder Leistung bringen. Davor muss man schon den (Cowboy-)Hut ziehen.
Update: Einen Monat später ist Lemmy gestorben. Rest in Rock.
Playlist Motörhead:
• Intro • Bomber • Stay Clean • Metropolis • When the Sky Comes Looking for You • Over the Top • The Chase Is Better Than the Catch • Lost Woman Blues • Rock It • Orgasmatron • Doctor Rock
(With drum solo) • Just 'Cos You Got the Power • No Class • Ace of Spades •
Encore: • Whorehouse Blues (Acoustic + band introductions) • Overkill (Featuring the Bomber plane)