Comment by Caren.:
Feudale Adresse, der Admiralspalast, mit gemütlichem Innenhof für Genussmittel aller Art vor dem Konzert und in der Pause. Anscheinend gab es aber wohl früher nur kleine & dünne Admiräle, denn die Polstersitze im Schnörkelbalkon-Saal sind schmal und eng. Dafür sitzen wir im obersten Rang, 1. Reihe Mitte, direkt an der Brüstung. Akustisch wie optisch genial. Den riesigen Kronleuchter haben sie vorsichtshalber mit Netzen versehen, damit vom Brachialsound keine Kristalle ins Publikums-Dekolletée fallen... Es herrscht absolutes Fotoverbot, das verkünden nicht nur Schilder auf der Bühne & am Eingang, sondern auch zweisprachige Durchsagen vor dem Auftritt, ebenso wären störende Zwischenrufe nicht nett. „Please video by your eyes and record with your ears... let’s have a party!“ kündet die Stimme, man dürfe erst wenn Tony Levin seine Kamera ganz am Schluß gen Publikum zückt, selbst nochmal abdrücken. (Einige Leute können trotzdem ihren Bimmelkasten nicht im Zaum halten, oder sind sogar so doof & blitzen, also kommt tatsächlich Security angeschossen, um die Bösewichter bloßzustellen.)
Die Band selbst ist stumm, keine Ansagen, keine Anekdoten. 7 altenglische grinsende Herren in Schlips & Kragen bearbeiten mindestens doppelt so viele Instrumente, die meisten kann MEL COLLINS (schon in den 70ern zu KCr gestoßen) auffahren: Querflöte, Oboe, etc., das Alt-Sax klingt manchmal wie eine ganze Orchesterbegleitung. ROBERT FRIPP sitzt verschmitzt auf einem Stuhl, trägt permanent Kopfhörer und wechselt von der goldenen Gibson zum Mellotron und zurück. Er hat den unverkennbaren Original-KING-CRIMSON-Sound. Schon in der ersten halben Stunde setzen sie zum schwelgerischen „Epitaph“ an, was mich persönlich sehr freut. Bei Bassist TONY LEVIN kommt zwischendurch der große Chapman Stick zum Einsatz, der mit beiden Händen auf dem Griffbrett gespielt wird. Fingertapping at its best. Am Gesang von JAKKO JAKSZYK fehlt für meinen Geschmack etwas mehr ADRIAN BELEW, den ich gern mal erlebt hätte, wird aber insgesamt gut ersetzt. Einzig „Three of a perfect pair“ gibt es aus diesen Gründen nur in einer instrumentalen Version als eingebautes Thema, dafür hätten sie ihn brauchen können (Adrian Belew spielt das extrem schwere konträr laufende Stück auch alleine an Gitarre & Gesang! Der Wahnsinn.)
Die hinteren 4 Musiker befinden sich auf einem erhöhten Podest, und ausnahmsweise vorne der Knüller: gleich 3 (!) virtuose Schlagzeuger mit vollem Drum-Set! PAT MASTELOTTO (Mr. Mister, schon einige Jahre bei KCr), dazu GAVIN HARRISON (Porcupine Tree) und JEREMY STACEY, der manchmal statt zu den Stöcken zwischendurch in die Tasten des E-Pianos greift. Alle 3 bekommen natürlich nicht nur Soloparts (mit Szenenapplaus), sondern haben sich eine ausgefeilte Performance ausgedacht, um die Schlagzeugpassagen von akzentuiert (abwechselnd) bis bombastisch (gleichzeitig) vorzutragen. Sehr beeindruckend und spielerisch absolute Weltklasse. Der Gig startet früh und besteht aus 2 Sets mit 20 Minuten Pause. Zum Finale des zweiten Parts gibt es dann auch die einzige „Lightshow“ des Abends (vorher nur unbewegtes, helles Bühnenlicht): die Band wird beim sehr sehr langen „Starless“ – ganz dem Namen nach - langsam in tiefstes Höllen-Rot getaucht, und so bleibt es bis zum Schluss. Da wir uns im Bowie-Jahr befinden, gibt es im Zugabenblock noch eine Hommage an ihn mit „Heroes“, was ich aber persönlich nicht ganz überzeugend finde, das ist mir zu glatt gesungen. On top wird dann der Gig mit dem „21st Century Schizoid Man“ besiegelt, wobei nochmal alle Register gezogen werden können. Das Publikum hat keine Fragen mehr, es gibt mehrmals Standing Ovations und TONY LEVIN zückt dann auch endlich seine Kamera, um uns fürs Poesiealbum abzulichten.
Mehr als zweieinhalb Stunden Programm, 47 Jahre Bandgeschichte, 7 Musiker und für uns mehrere Stunden Anfahrt aus 2 entgegengesetzten Teilen der Republik – um sich in der Hauptstadt einer wunderschön warmen, spätsommerlichen, langen Nacht des ewigen ProgRock mit Cocktails, fast Vollmond und guten Gesprächen an der Spree hinzugeben. Da hat man für einen Moment doch mal das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Prost! ;-)
Lizard
• Radical Action II
• Pictures of a City
• Cirkus
• Fracture
• Epitaph
• Hell Hounds of Krim
• Easy Money
• Radical Action (To Unseat the Hold of Monkey Mind)
• Meltdown
• The Talking Drum
• Larks' Tongues in Aspic, Part Two
• Devil Dogs of Tessellation Row
• The ConstruKction of Light
• Level Five
• The Court of the Crimson King
• The Letters
• Red
• One More Red Nightmare
• Starless
• Banshee Legs Bell Hassle
• "Heroes"
• 21st Century Schizoid Man
Ein legendäres Konzert. Danke.
Oh, fast vergessen: wen trifft man nach dem Gig mit einem live Kamikaze-Auftritt gegenüber des Admiralspalast wieder? SHOSHIN!! Sie sind ihrem Prinzip treu geblieben: sich ein paar coole Konzerte in ganz Europa aussuchen, einfach hinpilgern & spielen, am Ausgang der Halle Laufkundschaft ziehen. Super Idee.