Comment by Caren.:
Na, da haben wir doch mal wieder einen alten Klassiker aus der Liste im Plattenschrank abgehakt, den ich bisher noch nie live gesehen hatte. Auf persönliche Empfehlung meiner Begleitung wurde das schnellstens nachgeholt. Teure Sitzplätze ohne Vorgruppe in der Mainzer (Wetten-Dass?-)Rheingoldhalle lassen zuerst spießiges Ü-50 Publikum vermuten, dem ist aber nur bedingt so. „Kann der überhaupt noch auf 1 Bein stehen?“ und ähnliches werde ich im Vorfeld über Ian Anderson gefragt – und ich muss sagen: ja, er kann! Der Mann scheint auch nach 50 Jahren auf der Bühne noch topfit, hat eine reeelativ gute Figur, statt der langen Haarpracht ein Piratenkopftuch, bewegt sich nicht nur Querflöte-spielend und Bandgeschichten-erzählend über die Bühne, sondern auch die Begleitband liefert gut ab (werden sogar als „Familienmitglieder“ zusammen mit den Tontechnikern am Ende per eingeblendetem Namen vorgestellt) und Videoeinspielungen erweitern filmisch die Stories der Songs während des gesamten Auftritts. Ok, der Part mit dem deutschen Gitarristen-Poser Florian Opahle, der unbedingt die Toccata und Fuge um sein Solo herumstricken muss (weil er es KANN! *g*) ist jetzt vielleicht ein wenig overacting, und einzig der Gesang von Ian Anderson ist leider nicht besonders tonsicher & noch dazu schleppend, so dass es permanent „ein wenig neben der Spur“ wirkt (was im Gegensatz zu den Aufnahmen angeblich schon länger so sei), aber die Instrumentalparts sind 1A. Da gibt’s nix zu meckern. Manches ist locker-flockig mit einem Scherz auf den Lippen, altenglisch hippie-esk und manches eher (prog-)rockig, so dass sogar ich für mich neue gute Songs entdecken kann, die mir bisher unbekannt waren (zB „My god“), auch wenn JETHRO TULL jetzt nicht unbedingt meine neue Lieblingsband werden wird.
Natürlich ist der Gig durchstrukturiert und hat nicht nur eine Pause (mit Theatergong im Saal), sondern endet wie erwartet ohne Zugabe mit dem obligatorischen „Locomotive breath“, aber es wäre wohl auch eher merkwürdig gewesen, wenn man das Ritual diesmal nicht eingehalten hätte. Alte Leute brauchen eben ihre festen Strukturen vor dem Schlafengehen ;-) Es war auch nach 2 Stunden früh genug, noch ein Bier zu trinken und mit der Bahn nach FFM zu kommen. Alles in allem voll ok, relaxte Stimmung, gute Musiker, schöner Abend. Kann man mal machen.
Setlist: / Living in the Past / Nothing Is Easy / Heavy Horses / Thick as a Brick / Banker Bets, Banker Wins / Bourrée in E minor / Farm on the Freeway / Too Old to Rock 'n' Roll, Too Young to Die / Songs From the Wood / Sweet Dream / Pastime With Good Company / Fruits of Frankenfield / Dharma for One / A New Day Yesterday / Toccata and Fugue in D Minor / My God / Aqualung / Locomotive Breath