Caren. 15th Jul 2024
| | Review4 Bands an einem Dienstag, die große Halle im Schlachthof ist ausverkauft! Die einzige dt. Band THE TIDAL SLEEP muß starten und bedankt sich brav für so frühes Erscheinen. Sie legen gleich los mit echtem leidenden Hardcore Screamo Gesang, der sich vor dem Schlagzeug windet und mit träumerischem Shoegaze-Sound-Gitarrenspiel durchzogen ist. Eine sehr hübsche Emo-Kombi, die mich zum Plattenkauf überzeugt (blaues Vinyl mit dem Zitat „Because blood is saltwater and in our hearts there is a lightless ocean“) Uh… Sie machen ihre Sache sehr ordentlich.
Die kalifornischen STICK TO YOUR GUNS lassen ihr großes Banner mit dem Diamanten-Logo herunter und sind die „most wanted“ Band des Abends, so scheint es, denn die Band ist im Publikum mit mehr Fanshirts vertreten als jede andere – oder sie haben die größere Typo-Power. STICK TO YOUR GUNS hauen gleich alles raus, was sie an Hits im Programm haben und knüppeln brachial los. Der Gitarrist hat sich anscheinend das Bein gebrochen & steht mit Gehgips sowie dem Shirt „Hardcore still lives“ auf der Bühne. Yo. Der Sänger hüpft, stampft, schreit und spuckt herum als gäbe es kein Morgen. Begleitet vom Statement ans Publikum: „What’s this standing around for? This is a fucking hardcore show!! Let’s live some more!“ Worte mit Wirkung. Mit der Textzeile „Forever us against them all!“, bemerkt man ab dem ersten Song, dass hier eine Band mit Message am Start ist, Menschlichkeit, Respekt, Freundschaft, Meinungsfreiheit und das Leben an sich sind Themen. Bevor das ganze aber Wanderprediger-Züge annimmt, schwenkt der Sänger nochmal um und stellt die Frage, wieviele Deutsche es wohl braucht, um einen Circle-of-Death zu formen, die Menge teilt sich sofort, um ein paar Runden im Kreis zu rennen. Ich bin ein wenig peinlich berührt von der primitiven Metal-Attitüde und verstecke mein STYG Shirt unter dem MORE THAN LIFE Pulli *g*. Die Spielzeit erscheint kurz aber heftig, den Abschluss macht das ältere „Amber“, bei dem hier & da ein paar Beine durch die Luft fliegen.
Als drittes kommen FUNERAL FOR A FRIEND aus Wales auf die Bühne. Der kleine Sänger im Karohemd holt einiges aus sich heraus, schwärmt von der mittlerweile 20-jährigen Existenz der Hauptband BOY SETS FIRE und erntet Applaus aus dem erstaunlich textsicheren Publikum. Hier wird generell mehr gesungen als geschrien, auch mehrstimmig, einige Balladen finden ihren Platz. „Turn around!“-Gekreisel gibt es auch hier, zwischendurch„Ansprachen“, die allerdings von der britischen Kohleabbau-Problematik «unserer» Eltern erzählen. Das Publikum scheint zu dem Thema etwas ratlos zu sein.
Was folgt ist eine nicht enden wollende Umbaupause, da selbst das Schlagzeug abgebaut wird. Die Beleuchtung wird getestet. Die Roadies tragen unterschiedlichste Shirts: von Morrissey über Monster Magnet bis Motörhead, aber auch ein „Humppa!“-Trikot ist dabei. Kurz flitzt einer der Band auf die Bühne, um ein Publikumsfoto zu machen und wird auch gleich umjubelnd erkannt. Als endlich das Saallicht ausgeht ist alles gut. Die Band wirkt extrem gut gelaunt und hat Bock zu spielen. Der Sänger ist mittlerweile äußerlich etwas in die Jahre gekommen mit seinen grauen Haaren & langem Bart, der aber wenn er erstmal ins Mikro schreit ganz schön fies klingt. Sie freuen sich sehr über den großen Anklang, den sie in Europa finden und betonen das auch immer wieder. Als ein Fan den Song der neuen Split-Single hören will, verstehen sie wohl nur den Anfang des Titels („10:45...“) und fragen nach, ob er ihnen jetzt nur die Zeit ansagen wollte (‚das ist aber nett, danke schön!’ hihi.) Sie bringen verschiedenste Songs aus ihrer kompletten Laufbahn, neue und alte Sachen werden Wort für Wort vom kompletten Publikum mitgesungen, eindrucksvoll! Der Wechsel zwischen Schrei- und Singstimme klappt sehr gut, der Sound ist druckvoll. Leider ist das auch das Publikum vorne an der Absperrung des Fotograbens, denn es gibt bei „Redemption“ einen kleinen Zwischenfall, woraufhin der Song sofort abgebrochen wird und jemand mit den Worten „Hold on. Stop! Stop! We don’t push each other! Get the fuck out of here, good night!“ nach hause geschickt wird. Punkt. Leichte Ratlosigkeit in der Band, aber schließlich wird den Ordnern die Schuld gegeben. Das Publikum stimmt den Gesang zusammen an exakt derselben Stelle (!) wieder an, wo er aufgehört hatte, die Band ist ergriffen, muss lachen und kommt in den Song zurück. Perfekt. Weiter geht’s mit einem musikalisch härter als erwartet anmutendem Konzert, einer Menge Crowddiving und auch der Sänger von STICK TO YOUR GUNS kommt für einen Song nochmal auf die Bühne. Als nach Zugaben verlangt wird, kündigen BOYSETSFIRE an, dass jetzt ein Song folgen wird, den sie NOCH NIE live gespielt haben („ever!!“): Sie spielen „Altar of God“ das für mich beste Lied von der aktuellen Scheibe. Yessss. Mit „Empire“ endet schließlich ein langer aber guter Konzertabend mit einer Opener-Neuentdeckung und einer sehr engagierten Hauptband, die man sich getrost öfter ansehen kann.
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