Caren. 18th Nov 2024
| | ReviewAlso, das war mal ganz ordentlich! Fast 2 Stunden für ein Punkkonzert? Alle Fans waren trotz miesem Wetter aus ihren Löchern gekrochen. Schließlich war Samstag. Der 1. Support-Act musste leider schon pünktlich um 19:00 anfangen, aber das YANKEE SANDWICH wurde brav geschluckt. 1 Ami & 1 Deutscher klangen stimmlich mal nach Primus, mal nach Shellac, machten hier und da ein paar unbeholfene Witzchen über „Cindy“, ihren langhaarigen Schlagzeuger, konnten aber durchaus passable Songs bieten. Als zweites kamen EHRENMORD auf die Bühne und es wurde richtig lustig. Dass 2 Leute ausreichen, um derben Krach zu machen war überzeugend. Dabei hatte die Gitarre einen richtig guten Sound und ließ gar keinen Bass vermissen. Es gab vor jedem Lied eine Ansage, die auch nötig war, um irgendwas zu verstehen. Und es wurde eindrucksvoll demonstriert, dass eine komplette EP nicht länger dauern muss als eine Zigarette, denn es gab kein Lied über 1 Minute, eher sehr viel kürzer. Angefangen beim ersten Lied der letzten LP „A wie Anton“ womit auch schon der komplette Text gesagt war, bis hin zu „Zack“ (das letzte Lied der... – ja das Prinzip ist klar), das meiner Meinung nach den Napalm Death Kürze-Rekord von 2 Sekunden toppen dürfte (!), deshalb wurde es auch gleich 2x hintereinander gespielt. :-) Um 20:00 war der Spuk auch schon vorbei, „Oh, wir schaffen es noch pünktlich zur Tagesschau!“ der Kommentar des Sängers. Live haben die Jungs wirklich Unterhaltungswert auf Speed, es gab niemanden der nicht grinsen musste.
Ebenjenes verging einem in der Umbaupause allerdings wieder, denn der Mischer hatte ernsthaft eine Best-of-Heino CD eingelegt (etwa auf Wunsch der Band? Kaum vorstellbar). So musste man sich durch 4-5 komplette Heino-Hits quälen (ein Wunder dass nicht doch noch ein Bier geflogen kam, aber die Generation ist ja schon früher vor dem elterlichen Fernseher damit gefoltert worden), bis sich endlich die GUANTANAMO SCHOOL OF MEDICINE auf die Bühne gestellt hatte, um mit allen Gitarren mitten in die „Lustigen Holzhackerbuam“ reinzubraten!! Endlich! Mister Biafra kam als Zirkusdirektor hinterherstolziert, in rotem Frack, Hut, Stab und einem knatterbunten Hemd, das garantiert noch im Nachhinein Augenkrebs auslöst. Es folgte ein Feuerwerk an alten und neuen Songs (ziemlich bald schon „California über alles“), sowie jede Menge Ansagen, Erklärungen und politische Pamphlete, die mit Hintergrundmusik mal funky und mal punky hinterlegt wurden. Auch alte Songs wurden durch neue aktuelle Texte ergänzt, wenn der Herr Biafra was zu sagen hatte. Und das hatte er oft. Zum Glück ist er so ein geschickter Redner, dass man wirklich jedes Wort verstehen kann und ihm folgen kann, ob es um Occupy, Griechenland, Pussy Riot, Banker als Verbrecher oder Edward Snowden geht, der Mann beschäftigt sich mit der Welt und wirkt einfach sehr wach. Als er sich dann der ersten Klamotten-Zwiebelschicht entledigte, kam das aktuelle „Schock-U-Py!“ Shirt der Band zum Vorschein, das er mit Stolz den ganzen Abend vollschwitzte und sich & uns gern mit Wasser übergoss. Ein gewisses theatralisches Talent sei ihm auch bewegungstechnisch nachgesagt, allerdings wusste man manchmal nicht so recht, was seine übertriebene Pantomime darstellen sollte, aber ich glaube das war schon früher so. Selbst stimmlich ist der Mann immer noch extrem gut drauf, bis hin zum langgezogenen Dead-Kennedys-Vibrato, da ist nichts verlorengegangen. Höchstens die äußerliche Form ist etwas aus den Fugen geraten (Wampe, Haare), aber das hinderte ihn nicht daran, sich später auch noch der letzten Zwiebelschicht zu entledigen und mit nacktem verschwitztem Oberkörper (‚vorher erstmal die Hose hochziehen’) selbst in die pogende Menge zu springen, die auch 120 Kilo andächtig auf Händen trug. Viele taten es ihm nach, selten sah man so viele schweißnasse Rücken mit Tattoos. Einige der Gäste in den ersten Reihen wurden von Jello persönlich mit Namen begrüßt („Oh, hi, what are YOU doing in Frankfurt?“). Das Publikum kam wie erwartet ordentlich in Wallung, wenn zB „Holiday in Cambodia“ oder „Kill the poor“ angestimmt wurde, aber auch die neuen Songs konnten sich sehen lassen; ich muss zugeben bei „Nazi Punks fuck off“ hatte ich kurz ne Gänsehaut allein durch die plötzlich freigesetzte Energie, die durch die Menge fegte. Wahnsinn. Von der Bühne spritzte vor allem eines: Wasser. Ob in Form von Schweiß (sämtliche Bewegungen Jello Biafras sahen nach kurzer Zeit aus wie bei einem Hund, der gerade unter einem Rasensprenger steht) oder in Form von Mineralwasser, das er gern mit allen teilte oder sich selbst übergoss. Klitschenass war demnach auch sein T-Shirt, als er es auszog und direkt in die erste Reihe einen ganzen Liter daraus auswringen konnte. Devotionalien gab es also in rauen Mengen. Die Band wurde am Ende noch 2x zu Zugaben-Sets herausgeklatscht, auch der Rest der „Medizinschule“ gab sich bei der Verabschiedung publikumsnah durch Handshakes und war zufrieden mit dem gelungenen Auftritt. Wir auch.
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