Caren. 11th Jul 2024
| | ReviewGleich vorab: Der Gig ist für mich jetzt schon das KONZERT DES JAHRES! Die YOUNG GODS sind wieder da - und zwar in alter Form. In der Zwischenzeit gab es immer mal wieder extrem unterschiedliche Platten & Auftritte unterschiedlichster Musikrichtungen von ihnen, von der Kurt-Weill-Interpretation über blubbernde Elektrotöne bis hin zu harten Industrial Klängen. Und Letztere können sie live besonders gut. Dadurch klingt auch ihre neue Scheibe „Data Mirage Tangram“ einfach viel knalliger als erwartet (und kraftvoller als die Konserve), mit der sie ihr Liveprogramm starten. Da wirkt jeder Moment flirrend, spannend, arbeitet immer nach einem 10-minütigen Spannungsbogen auf einen bombastischen Höhepunkt hin, und der Sänger wirkt auch noch wie ein einsamer Wolf mit seiner grollenden Stimme, seinen grauen Haaren und seinem gelenkigen Körper, stimmlich immer auf der Suche aus dem dornigen Dickicht, erst tief & beschwörend, dann plötzlich wieder laut, mal auf französisch, mal auf englisch. Ich stehe zwar mal wieder durch Zufall (wollte mich anfangs nur kurz auf den Bühnenrand beim Warten setzen, und dann füllte es sich plötzlich) mittig in der allerersten Reihe, musste jedoch leider meine Kamera abgeben, ärgerlich, denn es wären diesmal so tolle geworden! Auf jeden Fall kann ich nun das Konzert in vollen Zügen genießen, ohne durch die Linse zu blinzeln, sondern dafür mal wieder richtig zu tanzen. Und man kann die Musik förmlich fühlen. Arme und Hände greifen durch die Luft, den Nebel, das Licht. Schon Franz Treichler hat am Mikrofonständer (die anderen beiden an Drums und Sequenzer auch) eine einzelne Lichtsäule, die aus dem Dunkel an die Decke strahlt und alles wahnsinnig dramatisch macht – ein simpler Effekt. Noch dramatischer wird es, wenn er den Mikrofonständer mitsamt Lampe in die Hand nimmt, das Licht mit seinen Händen beschwört und auf uns richtet, als hätte er ein Snipergewehr in der Hand, mit dem er uns zum Verhör heraus pickt. Der ganze Auftritt wirkt wie (in eigenen Worten) ein “Pakt aus Mensch und Maschine”, es blubbert, es blitzt, es groovt vom Beduinenrhythmus (krasser Schlagzeuger!) bis zum extremen Trance-Sound, da kann man einfach nicht stillstehen! Und auch die eindrucksvolle Lightshow ergänzt das perfekt, mit mehreren Projektoren, deren Strahlen mal in tausende kleine Minilichter aufbersten oder sich zu wabernden Formen zusammenrotten, um auf den Gesichtern zu tanzen. Ich kriege so manches Mal Gänsehaut oder muss gegen ergriffene Tränen kämpfen – das passiert mir nicht gerade häufig, aber dieser Auftritt ist magisch. Nach dem ersten Break (eine Vorgruppe gibt es nicht) haben sie ihr neues Album durchgespielt und die Leute sind ganz aus dem Häuschen im (ehemaligen “Magnet” Club – jetzt) “Musik und Frieden” an der Spree in Kreuzberg. Die Leute sind für meinen Geschmack ein wenig zurückhaltend (ich glaube in FFM hätte es noch mehr begeistertes Geschrei gegeben), vielleicht sind sie aber auch nur ergriffen oder respektvoll, man hört viele französich sprechende Leute, sogar der bullige Alt-Punk mit dem The-Damned-Shirt hinter mir fragt ganz höflich, ob er sich mal kurz vor mich knien kann, um ein Foto zu machen (“Logo, hau rein!”) Und dann kommen die Zugaben – gleich ALLE Knaller der alten YOUNG GODS Tage, begonnen mit “Gasoline man”, dann “Kissing the sun” und “Skinflowers”. Da müssen dann wirklich ALLE mittanzen. Unglaublich, diese Band. Mag ja sein, dass sie es immer so machen mit den Hit-Songs, aber für mich war das ganze eine mitreißende Offenbahrung. Die Band bedankt sich mit viel Herz und wir grölen sie ein zweites Mal raus, wo sie dann aber etwas Ruhiges spielen. Wenn das auch noch “She rains” geworden wäre, hätte ich wahrscheinlich komplett losgeflennt – bin momentan eh nah am Wasser gebaut. So muss ich erstmal zur Beruhigung einen Rotwein an der Bar bestellen und nehme eine große Erinnerung mit.
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